In diesen Tagen läuft Saulus zur Höchstform auf. Vermutlich war ihm zu Ohren gekommen, dass auch außerhalb Jerusalems Gemeinden der neuen Sekte entstanden, darum bittet er den Hohen Rat um den Auftrag, diese Häretiker dingfest und zurück nach Jerusalem schaffen zu dürfen. Der Hohe Rat gibt ihm ein Sendschreiben mit. Auf dem Weg nach Damaskus erscheint ihm dann Jesus in einem grellen Licht und fragt ihn: „Warum verfolgst du mich?“
Man erkennt an dieser Fragestellung, Jesus identifiziert sich mit seiner Kirche. Sie – wir – sind seine Hände, Füße und Stimme. Nicht die Apostel formten den Begriff von der Kirche als „Leib Christi“ mit Christus als Kopf, Jesus selbst war das – hier in dieser Erscheinung.
Jesus macht Saulus klar, dass es ihm nicht möglich sein
wird, das von ihm angefangene Werk zu zerstören. Und was Jesus dann tut ist
ungeheuerlich! Er nimmt den Verfolger in seine junge Kirche auf und gibt ihm
den Auftrag, das Evangelium allen Heiden zu verkünden; die Jünger blieben ja
zunächst noch in Jerusalem aber wendeten sich auch später nur an Menschen, die
durch Geburt oder Bekenntnis zum Judentum gekommen waren. Die zwölf Apostel
werden damit die von Christus eingesetzten Fürsten der himmlischen zwölf Stämme
Israels, Paulus wird zum Vater der Weltkirche.
Christus lässt Paulus daher auch an diesem Punkt nicht
allein. Er solle in Damaskus auf jemanden warten, der ihm weiterhelfen werden. Saulus
muss sich führen lassen, denn das helle, himmlische Licht ließ ihn erblinden. In
Damaskus wartet er daraufhin fastend und betend bis Ananias zu ihm kommt, ihm
die Hände auflegt und er dadurch wieder sehen kann.
Wir sollten diese Genesung nicht als eines der zahlreichen
Wunder abtun, die in der Zeit der Apostel in den ersten Christengemeinden halt
geschahen. In diesem Wunder erkennen wir, dass Menschen ohne Christus blind für
das Himmlische sind, sie können es nicht aus eigener Kraft und Anstrengung
erkennen. Schon zum Glauben an Christus zu kommen, Christus als den Herrn zu
erkennen, ist ein Gnadengeschenk, das erste Geschenk das Christus den seinen
gibt. Und er überbringt dieses Geschenk durch andere Christen, in diesem Fall
durch Handauflegen, aber es kann auch alles andere sein, was ein Christ tut
oder sagt. Genau darum ist es so wichtig, dass jeder Christ auf seine Worte und
seine Handlungen in der Welt achtet. Wir sind mehr als nur Botschafter,
Christus wirkt durch uns in die Welt hinein – wenn wir ihn lassen. Was wäre
geschehen, wenn Ananias abgelehnt hätte? Er hatte viel von Saulus gehört und
daher Grund genug, diesen Auftrag abzulehnen oder ihm nur oberflächlich – quasi
als willenloser Befehlsempfänger – nachzugehen. Die christliche Gemeinschaft
hätte ohne Saulus, später Paulus, eine ganz andere Entwicklung genommen, wäre
vielleicht eine kleine, jüdische Sekte geblieben. Durch unseren Gehorsam
arbeiten wir am Werk unseres Herrn, durch Ungehorsam, Eigenmächtigkeit,
Egoismus und all die anderen irdischen Wege und Werte stören wir die Vollendung
der Kirche. Das Geschenk, die Gabe des Glaubens, zerrt uns aus der Neutralität.
Es zwingt uns, uns entweder für oder gegen Christus zu entscheiden. Dieses
Geschenk ändert dein Leben in jedem Fall. Nach der Erkenntnis gibt es kein
Zurück, keinen Punkt vor der Erkenntnis, an den du zurück gehen könntest.
„Wenn ich nicht gekommen wäre und zu ihnen geredet hätte,
so hätten sie keine Sünde; nun aber haben sie keinen Vorwand für ihre Sünde.“
(Joh 15,22)
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